Änderungen in der Pflegeversicherung

Das Bundesverfassungsgericht hat am 26.03.2014 (Az. 1 BvR 1133/12) entschieden, dass pflegenden Angehörigen von der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht dieselbe Vergütung zusteht, wie sie ein professioneller Pflegedienst erhalten würde. Die unterschiedliche Bezahlung verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Ehefrau und Tochter eines mittlerweile verstorbenen Mannes hatten für dessen Pflege 665 Euro Pflegegeld pro Monat erhalten, forderten von der Pflegeversicherung jedoch den Regelbetrag in Höhe von 1432 Euro.

Die unterschiedliche finanzielle Ausgestaltung der Leistungen bei häuslicher Pflege stellt keine Ungleichbehandlung dar. Als Vergleichsgruppen sind die Pflegebedürftigen zu betrachten, die sich für die Pflege im häuslichen Bereich bei gleicher Pflegestufe entweder für die Pflegesachleistung durch externe Pflegekräfte (§ 36 Abs. 1 SGB XI) oder für das demgegenüber reduzierte Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen (§ 37 Abs. 1 SGB XI) entscheiden.

Die Pflegekräfte müssen bei der Pflegekasse selbst oder bei einer zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtung angestellt sein oder als Einzelpersonen mit der Pflegekasse einen Vertrag nach § 77 Abs. 1 SGB XI geschlossen haben. In jedem Fall stehen sie mittelbar oder unmittelbar in einem Vertragsverhältnis zur Pflegekasse. Im Falle des Pflegegeldes hingegen erhalten die Pflegebedürftigen gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI eine laufende Geldleistung, für die sie die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellen müssen. Die Pflegepersonen sind dann je nach Wahl Angehörige des Pflegebedürftigen, ehrenamtliche Pflegepersonen oder mit dem Pflegegeld „eingekaufte“ professionelle Pflegekräfte, die aber in keinem Vertragsverhältnis zur Pflegekasse stehen. Ein solcher Vertrag ist sogar nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI zwischen der Pflegekasse mit Verwandten, Verschwägerten und Haushaltshilfen ausgeschlossen. Das Pflegegeld ist daher einfachgesetzlich nicht als Entgelt ausgestaltet, es ist im Rahmen des Einkommensteuerrechts auch kein Einkommen. Es soll vielmehr im Sinne einer materiellen Anerkennung einen Anreiz darstellen und zugleich die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen stärken, indem diese das Pflegegeld zur freien Gestaltung ihrer Pflege einsetzen können.

Die finanziellen Leistungen der Pflegeversicherung im häuslichen Bereich dienen dazu, die familiäre, nachbarschaftliche oder ehrenamtliche Pflege und Betreuung zu ergänzen. Im Fall der Sachleistung durch Dritte kann eine sachgerechte Pflege aber nur bei ordnungsgemäßer Vergütung der Pflegekräfte sichergestellt werden.

Auch in der Pflegeversicherung gibt es Privatversicherte. Diese hatten es bisher schwer, die Gutachten zur Einstufung in eine Pflegestufe erfolgreich anzugreifen. Das Urteil des BSG vom 22.03.2015 (Az. B 3 P 8/13 R) eröffnet jetzt bessere Chancen. Bei gesetzlich Versicherten werden die entsprechenden Pflegegutachten vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), ggf. auch vom Sozial-Medizinischen Dienst (SMD) der Knappschaft gefertigt. Privatversicherte hatten es in einer solchen Situation wesentlich schwerer. Die Gutachten dort erstellt ein Unternehmen namens Medic Proof. Aufgrund einer Regelung im Versicherungsvertragsgesetz (§ 84 VVG) waren diese Gutachten verbindlich, außer das Gutachten ist „offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich“ abgewichen. Diese Hürde war im Rahmen eines Gerichtsverfahren erheblich schwerer zu nehmen, als bei Gutachten des MDK. In der Privaten Pflegeversicherung war es z. B. nicht ausreichend, wenn das Gutachten punktuell falsch war, sondern im Prozess musste nachgewiesen werden, dass es erheblich falsch und dies musste auch noch offensichtlich sein. Diese Rechtsprechung hat das BSG mit der aktuellen Entscheidung aufgehoben. Aufgrund der Regelungen des SGB XI sind Gutachten von Medic Proof ebenso zu behandeln wie Gutachten des MDK oder des SMD. D.h. der Versicherte muss im Prozess nur substantiiert die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens rügen. Dies ist eine erhebliche Vereinfachung für Kläger im Vergleich zur vorherigen Rechtslage.

©Rechtsanwältin Franziska Benthien

Fachanwältin für Sozialrecht