„Unabhängige
Beratung mit den Leistungsträgern“
Beratungsleistungen nehmen im
Netzwerk der Hilfen für Menschen mit Behinderungen einen zentralen Stellenwert
ein. Beratung ist zum einen die Beratung durch die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der jeweils zuständigen Sozialleistungsträger als gesetzliche
Verpflichtung mit entsprechender Amtshaftung (§ 14 SGB I). Zum anderen kann
eine Beratung auch durch unabhängige Stellen erfolgen, diese müssen dies
allerdings unentgeltlich vornehmen, da es keinen gesetzlich verankerten
Rechtsanspruch auf eine unabhängige Beratung gibt. Ein Beratungsauftrag kommt auch
gesetzlichen Betreuerinnen und Betreuern im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zu.
Die einzelnen
Sozialleistungsbereiche enthalten in den jeweiligen Büchern separate
Regelungen. Die Regelung für die Eingliederungshilfe für Menschen mit
Behinderung in der Sozialhilfe beinhaltet § 11 SGB XII „Beratung und
Unterstützung, Aktivierung“; diese Norm ist im Jahre 2005 anlässlich der
Einordnung des BSHG in das Sozialgesetzbuch (SGB XII) bereits erheblich
ausgeweitet worden. Danach betrifft die Beratung die persönliche Situation, den
Bedarf, die eigenen Kräfte und Mittel sowie die mögliche Stärkung der
Selbsthilfe zur aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und zur
Überwindung der Notlage. Die Beratung umfasst auch eine gebotene
Budgetberatung. Die Unterstützung umfasst Hinweise und, soweit erforderlich,
die Vorbereitung von Kontakten und die Begleitung zu sozialen Diensten sowie zu
Möglichkeiten der aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft unter
Einschluss des gesellschaftlichen Engagements. In § 11 Abs. 5 Satz 3 SGB XII
ist auch eine Übernahme der angemessenen Kosten für die Beratung geregelt,
darunter ist allerdings nur die Sozialberatung und nicht die rechtliche
Beratung zu verstehen.
Den wohl umfassendsten Auftrag
zur sozialrechtlichen Beratung für Menschen mit Behinderungen haben die
Servicestellen für Rehabilitation nach dem Dritten
Kapitel des SGB IX. Sie bieten behinderten und von Behinderung bedrohten
Menschen nach § 22 SGB IX Beratung und Unterstützung, insbesondere über
Leistungsvoraussetzungen, über Zuständigkeiten der Rehabilitationsträger sowie
durch unterstützende Begleitung.
Rückmeldungen aus der Praxis
weisen darauf hin, dass der Inanspruchnahme des Beratungsangebotes gemeinsamer
Servicestellen im Kontext der Eingliederungshilfe eine äußerst geringe
Bedeutung zukommt.
Die Beratungsbedarfe von Menschen
mit Behinderungen im Kontext des Zugangs zu Leistungen sind vielfältig. Sie
bestehen insbesondere bzgl. des Umfangs der Leistungsansprüche, möglichen
Interessenkonflikten mit dem zuständigen Leistungsträger und hinsichtlich der
Auswahl von Leistungsanbietern. Weitere Beratungsbedarfe ergeben sich im Rahmen
der Leistungserbringung. Eine unabhängige Beratung seitens der Leistungsträger
findet allerdings fast nicht statt.
Grundsätzlich
kann bei Beratungsfehlern ein Schadensersatzanspruch aufgrund Amtshaftung, bestehen
(Art. 34 GG, § 839 BGB). Für eine
Beratung genügt ein formloses Begehren. Der Leistungsträger ist von Amts wegen
bei einem konkreten Anlass zur Beratung verpflichtet (Spontanberatung). Die alleinige
Aushändigung von Merkblättern reicht zur Erfüllung der Beratungspflicht nicht
aus. Der Leistungsträger muss schuldhaft einen Fehler in der Beratung gemacht
haben. Hieraus ergibt sich dann ein Schadensersatzanspruch, welcher vor den
Zivilgerichten geltend zu machen ist.
Der sozialrechtliche
Herstellungsanspruch setzt kein Verschulden des Sozialleistungsträgers
voraus. Beim Herstellungsanspruch geht
es nur um die Herstellung oder Wiederherstellung des gesetzmäßigen oder eines
den gesetzlichen Zielen entsprechenden Zustandes, der ohne rechtwidriges
Verhalten der Behörde bestanden hätte. Die Verletzung der Beratungs- und
Belehrungspflichten der Sozialversicherungsträger führt dazu, dass diese,
soweit ihnen eine dem Gesetz entsprechende Amtshandlung möglich ist,
verpflichtet sind, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn die
Beratungs- und Belehrungspflicht erfüllt worden wäre (BSG Urteil vom 18.02.1982,
7 RAr 92/80).
Im Kontext der Reform der
Eingliederungshilfe steht auch die Schaffung bzw. Stärkung sog. „unabhängiger
Beratung“ in der Diskussion. Unter „unabhängiger Beratung“ wird hier die
Stärkung der Position der Leistungsberechtigten im Kontext der Antragstellung,
Bedarfsermittlung und -feststellung sowie letztlich auch der
Leistungserbringung verstanden.
Beratung soll unabhängig von
Leistungsträgern und Leistungsanbietern erfolgen. Problematisch ist allerdings,
dass diese Beratung bisher nur unentgeltlich erfolgen konnte, da ein
gesetzlicher Anspruch auf Beratung sich aus keinem der Sozialgesetzbücher
ergibt.
Unter einer „unabhängigen
Fachberatung“ wird eine aus Steuermitteln zu finanzierende eigenständige
Beratung diskutiert, vor, während oder nach Abschluss der Inanspruchnahme von
Teilhabeleistungen, auf die ein Rechtsanspruch bestehen sollte. Diese
Fachberatung soll ausschließlich den Interessen der Menschen mit Behinderungen
verpflichtetet sein.
Nach Art. 26 Absatz 1 UN-BRK
treffen die Vertragsstaaten wirksame und geeignete Maßnahmen, einschließlich
durch die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderungen, um Menschen
mit Behinderungen in die Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, umfassender
körperlicher, geistiger, sozialer und beruflicher Fähigkeiten sowie die volle
Einbeziehung an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren.
Eine Umsetzung dahingehend, dass
Leistungsträger umfassend beraten ist aus Sicht meiner praktischen Tätigkeit zu
verneinen.
©Rechtsanwältin Franziska Benthien
Fachanwältin für Sozialrecht