Gewalt
in Einrichtungen
Es gibt drei große Rechtsgebiete,
das Strafrecht, das Zivilrecht und das Sozialrecht (Öffentliche Recht), in
deren Zusammenhang Betroffene von Gewalttaten Ansprüche auf Entschädigung
geltend machen können.
Das Strafverfahren hat das vorrangige Ziel, den Strafanspruch des
Staates durchzusetzen. Der Schutz von Tatopfern ist hier nicht wesentliches
Ziel. Dem Tatopfer kommt im Strafverfahren primär die Position des Zeugen zu.
Nur bei einigen schweren Straftaten wird eine erweiterte Beteiligung über die
sogenannte Nebenklage ermöglicht. Dies sind insbesondere Straftaten gegen die
sexuelle Selbstbestimmung, Körperverletzungs- und Tötungsdelikte sowie die
Straftatbestände des Menschenhandels. Auch kann bereits im Strafverfahren über den
(zivilrechtlichen) Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz entschieden
werden. Es geschieht jedoch in der Praxis häufig, dass das Strafgericht im
Rahmen des Strafverfahrens nur entscheidet, dass der Betroffene grundsätzlich
einen Anspruch auf Schmerzensgeld hat. Über die Höhe des Schmerzensgeldes oder
Schadensersatzes muss dann in einem gesonderten Verfahren ein Zivilgericht
entscheiden.
Im Zivilrecht
wird das Verhältnis zwischen Beteiligten geregelt, die nicht staatlich handeln.
So werden in der Regel Ansprüche auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz
zwischen Täter und Betroffenen von Gewalt im Zivilverfahren entschieden. Die
Beweispflicht liegt dabei immer bei der Person, die eine bestimmte Forderung
gegen eine andere Person geltend macht, also für Schadensersatzansprüche bei
den Betroffenen.
Die
Ansprüche aus dem Opferentschädigungsgesetz und der gesetzlichen
Unfallversicherung sind Bestandteil des Sozialrechts.
Das Sozialrecht ist ein (gesonderter) Teil des Öffentlichen Rechts. Es ist
überwiegend im Sozialgesetzbuch (SGB) in seinen zwölf Teilen (SGB I – SGB XII)
geregelt, aber auch in Nebengesetzen wie dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Im Sozialrecht werden die Ansprüche
einer Person gegen den Staat (in Gestalt seiner für ihn handelnden Behörden)
geregelt. Es handelt sich dabei insbesondere um Ansprüche auf Sozialleistungen.
Behörden sind beispielsweise Krankenkassen, Berufsgenossenschaften,
Rentenversicherung, Arbeitsamt etc. Die Ansprüche werden in einem ersten
Schritt in einem behördlichen Verfahren geltend gemacht. Verweigert die Behörde
die Leistungen, kann zunächst im Widerspruchsverfahren versucht werden die
Ansprüche durchzusetzen und gegen diese Entscheidung kann vor einem
(Sozial-)Gericht geklagt werden.
Die
Verfahren nach den verschiedenen Rechtsgebieten sind rechtlich unabhängig
voneinander. In der Praxis gibt es aber Wechselwirkungen. So wartet z.B. das
Versorgungsamt häufig auf den Ausgang eines strafrechtlichen Verfahrens, oder
das Sozialgericht zieht für seine Entscheidung die Akte aus dem Strafverfahren
heran.
Der
folgende Fall zeigt die verschiedenen Rechtsverhältnisse auf.
Frau
K., rumänische Staatsangehörige, wird in ihrem Heimatort angesprochen, ob sie
nicht gutes Geld in Deutschland verdienen möchte. In Frankfurt am Main
angekommen, wird ihr von der „Arbeitgeberin“ Frau P. der Pass und das Bargeld
abgenommen, und sie muss in der Prostitution arbeiten. Sie habe noch die
Schulden für die Reise und die Verpflegung abzuarbeiten. Frau K. erhält kein
eigenes Zimmer, sondern muss in einem kleinen Raum gemeinsam mit drei anderen
Frauen wohnen und arbeiten. Alle erhalten wöchentlich ein kleines Taschengeld
und nur notdürftige Verpflegung. Die Arbeit fällt Frau K. sehr schwer. Drei Wochen
nach ihrer Ankunft stellen sie und ihre Kolleginnen Frau P. lautstark zur Rede,
fordern bessere Arbeitsbedingungen und ihr Geld. Darüber erbost will Frau P.
ein Exempel an Frau K. statuieren. Sie schlägt Frau K. mehrfach mit einem
Metallrohr auf den Kopf und wirft sie anschließend
eine Treppe hinunter. Die Frau L. versucht, Frau K. zu Hilfe zu kommen. Bei
diesem Versuch werden ihr T-Shirt und ihre Handtasche zerstört. Frau K.
erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma und vielfache Rippenprellungen. Die Notoperation
am Kopf erfordert, dass sie für zwei Wochen ins künstliche Koma versetzt werden
muss. Ihre Brille wird zerstört. Nach dem Krankenhausaufenthalt muss sie noch
in die medizinische Rehabilitation. Sie behält eine Lähmung der linken Hand
zurück und erkrankt an Depressionen.
Aus diesem Sachverhalt ergeben sich
unterschiedliche Verhältnisse und Ansprüche zwischen den Beteiligten und
Ansprüche gegenüber dem Staat.
Im Strafverfahren
gegen Frau P. wird Anklage vor dem Landgericht unter anderem wegen Menschenhandels
zur sexuellen Ausbeutung und gefährlicher Körperverletzung erhoben. Es kommt zu
einer mehrtägigen Hauptverhandlung, zu der Frau K. und ihre Kollegin Frau L.
als Zeuginnen geladen werden. Beide sind verpflichtet, vor Gericht zu
erscheinen und eine wahrheitsgemäße Aussage zu machen. Frau K. kann einen
Antrag auf Zulassung der Nebenklage bei dem zuständigen Gericht stellen und die
Beiordnung eines Rechtsanwaltes auf Staatskosten beantragen. Dann hat sie unter
anderem die Möglichkeit, Akteneinsicht vor Beginn des Verfahrens zu erhalten,
darf an allen Terminen der Hauptverhandlung teilnehmen und kann über den Anwalt
eigene Beweisanträge stellen. Außerdem kann sie einen sog. Adhäsionsantrag
stellen. Darin beantragt sie, dass Frau P. verurteilt wird, Schadensersatz für
ihren entgangenen Verdienst sowie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen und
verpflichtet wird, die materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die
in Zukunft noch aus der Tat entstehen.
Im Zivilverfahren
wenn nicht bereits im Adhäsionsverfahren vor dem Strafgericht geschehen, kann
Frau K. von Frau P. im Zivilverfahren Schmerzensgeld und Schadensersatz für den
entgangenen Verdienst sowie theoretisch Schadensersatz für die ärztliche
Behandlung und die Brille fordern. Auch Frau L. kann von Frau P. Ersatz für die
zerstörten Gegenstände fordern. Wenn beide sich anwaltlich vertreten lassen und
Frau P. vor Gericht zur Zahlung an beide verurteilt wird, hat sie auch die
Kosten für den Anwalt von Frau K. und Frau L. sowie die Gerichtskosten zu
tragen. Wenn Frau P. jedoch nicht zahlungsfähig ist und auch keine Pfändung bei
ihr möglich ist, so haben Frau K. und Frau L. zwar einen sogenannten „Titel“
gegen Frau P. der kann aber erst dann vollstreckt werden, wenn Frau P. wieder
zahlungsfähig ist. Ihr Anwalt müssten Frau K. und Frau L. dann zunächst
ebenfalls selbst zahlen. Sollten sie sich mangels Einkommen die anwaltliche
Vertretung nicht leisten können, können sie (im gerichtlichen Verfahren)
Prozesskostenhilfe beantragen.
Im Sozialrechtsverfahren
gibt es eine Vielzahl an behördlichen Stellen, bei denen Frau K. als Opfer
einer Gewalttat Versorgung und teilweise Geldleistungen erhalten kann. Wegen
der gesundheitlichen Folgen der Tat hat Frau K. neben dem
Schmerzensgeldanspruch auch Ansprüche aus der Gesetzlichen Unfallversicherung
beziehungsweise nach dem Opferentschädigungsgesetz. Sie benötigt nach der Tat
neben der medizinischen Rehabilitation auch eine ambulante Psychotherapie.
Für Opfer von Gewalttaten kommen
verschiedene Behörden als sogenannte Sozialleistungsträger in Betracht. Ein
Anspruch auf medizinische Versorgung (unter anderem ambulante oder stationäre
Psychotherapie) kann sowohl gegen die Krankenkasse, die Rentenversicherung, das
Versorgungsamt (als für das Opferentschädigungsverfahren zuständige Behörde)
oder auch gegen eine Berufsgenossenschaft bestehen. Normalerweise wird die
medizinische Versorgung zunächst einmal durch die Krankenkasse geleistet, wenn
das Opfer krankenversichert ist, sonst ist das Versorgungsamt zuständig, weil es
sich um eine Gewalttat handelte. Da die Tat auch während der Arbeitszeit
geschehen ist, könnte Frau K. auch Leistungen der Heilbehandlung von der
zuständigen Berufsgenossenschaft erhalten
Nach dem Grundgedanken des
Opferentschädigungsrechts hat die Geschädigte einen eigenen, unabhängigen
Anspruch gegen den Staat, wenn der Staat (etwa durch die Polizei) nicht in der
Lage war, eine Gewalttat zu verhindern. Dabei ist es gleichgültig, ob die Tat
in der konkreten Situation tatsächlich zu verhindern war.
Das OEG gewährt Opfern von Gewalttaten,
die durch die Tat schwer geschädigt werden und einen dauerhaften
gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schaden zurückbehalten, eine
Entschädigung durch den Staat. Dieser Anspruch ist vollständig unabhängig von
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Person, die die Schädigung
verursacht hat. Dies ist einer der großen Vorteile des OEG. Mit Hilfe eines
OEG-Anspruchs kann die gesundheitliche und wirtschaftliche Situation von Opfern
von Gewalttaten wirksam verbessert werden. Wer als Opfer einer Gewalttat
anerkannt wird, erhält – abhängig vom Grad der Schädigungsfolgen und von der
Staatsangehörigkeit beziehungsweise des Aufenthaltes in Deutschland –
Leistungen aus dem Katalog des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Dieser beinhaltet z.B. die Heil- und
Krankenbehandlung, eine Rente oder einen Berufsschadensausgleich.
Die Norm, die den Anspruch auf
Entschädigung wegen einer Gewalttat und seine Voraussetzungen regelt, ist § 1
OEG. Dort heißt es: „Wer im
Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder
Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs
gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine
gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und
wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der
Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorschrift
wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Angreifer in der irrtümlichen Annahme
von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds gehandelt hat.“ Um Leistungen
nach dem OEG zu erhalten, muss die Tat als tätlicher Angriff zu bewerten sein.
Die Tat muss außerdem mit Vorsatz begangen worden und rechtswidrig gewesen
sein.
Ein
tätlicher Angriff ist die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den
Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung. Ein
tätlicher Angriff liegt im Regelfall dann vor, wenn die Täterin gewaltsam, im
Sinne von handgreiflich, gegen eine andere Person vorgeht.
Wie die Praxis zeigt, werden schlechte
Arbeitsbedingungen in der Sexarbeit oder auch der Zwang zur Prostitution häufig
nicht mit direkter körperlicher Gewalt, sondern durch Bedrohung, durch Abnahme
von Papieren und Geld oder einfach nur ständige Kontrolle durchgesetzt. In
gleicher Weise sind auch häusliche Gewalt und Stalking oft geprägt von einer
Vielzahl von Übergriffen über einen längeren Zeitraum, gewaltförmigen
persönlichen Beziehungen und auch von psychischer Gewalt. Dies macht es zum
Teil schwer, das Geschehen unter den Begriff des tätlichen Angriffs, wie oben
definiert, einzuordnen.
Soweit die Täterin gewaltsam und
handgreiflich gegen die Betroffene vorgegangen ist, liegt unzweifelhaft ein
tätlicher Angriff vor. Bei körperlicher Einwirkung wie z.B. Schlagen, Schubsen
oder Treten ist also das Merkmal der Tätlichkeit immer zu bejahen. Ein
aggressives Verhalten ist dabei keine Voraussetzung, weil auch zum
(körperlichen) Widerstand nicht fähige Opfer von Straftaten den Schutz des OEG
erhalten sollen.
So hat
das BSG unmissverständlich klargestellt, dass die Voraussetzungen für eine Tat
nach § 1 OEG auch dann erfüllt sein können, wenn die Täterin die körperliche
Integrität des Opfers rechtswidrig verletzt. Dazu soll weder eine nennenswerte
Kraftentfaltung noch eine Aggressivität oder feindliche Haltung gegenüber der
Betroffenen erforderlich sein. Es reicht, wenn die Täterin ihr Ziel erreicht,
indem sie den Widerstand der Betroffenen durch Täuschung, Überredung oder
sonstige Mittel bricht, oder gar nicht erst aufkommen lässt.
Schwieriger wird es, wenn es keinen
direkten Körperkontakt zwischen Täterin und Opfer gegeben hat. Zwar ist eine
körperliche Berührung nicht zwingend erforderlich. Eine gewaltsame Einwirkung
auf den Körper kann auch schon bei (körperlich) vermitteltem Zwang vorliegen,
ohne dass es eine direkte körperliche Berührung zwischen Täterin und Opfer
gegeben hat.
Das BSG hat z.B. das
Festhalten an der Kleidung oder das Versperren des Weges mit einem Auto oder
dem eigenen Körper unter weiteren Voraussetzungen als tätlichen Angriff im
Sinne des OEG bewertet. Fehlt es an einer direkten körperlichen Berührung, dann
spielen nach der Rechtsprechung folgende Erwägungen eine Rolle: Je gewaltsamer
sich die Tat von außen darstellt beziehungsweise je größer der Einsatz
körperlicher Gewalt oder körperlich wirkender Mittel ist, desto eher ist ein
tätlicher Angriff zu bejahen. Andersherum muss bei geringer
Kraft-/Gewaltanwendung genauer geprüft werden, inwiefern durch die Handlung
eine Gefahr für Körper oder Leben der Betroffenen bestand. Die Angriffshandlung
(beziehungsweise der Einsatz körperlicher Mittel) muss dabei für sich genommen
nicht schwerwiegend sein, um eine „hinreichende“ Gefährdung von Körper oder
Leben der Betroffenen und damit einen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1
Satz 1 OEG anzunehmen.
Wer hoch gefährdet ist, erhält auch für
die bei Abwehr-, Ausweich- oder Fluchtreaktionen erfolgten Verletzungen den
Schutz des OEG.
Es ist keine zwingende Voraussetzung,
dass eine Körperverletzung (oder eine andere im Sinne des Strafrechts als
Gewalt zu qualifizierende Tat) tatsächlich schon verübt wurde. Ein tätlicher
Angriff kann auch schon dann gegeben sein, wenn mit einer Körperverletzung
bisher nur gedroht wurde. In diesen Fällen muss aber aus objektiver Sicht mit
einem unmittelbar bevorstehenden Tötungsdelikt oder einer sehr schwerwiegenden
Verletzung zu rechnen sein.
So hat das BSG die
absichtliche Bedrohung mit einer scharf geladenen und entsicherten Schusswaffe
als tätlichen Angriff qualifiziert. Wehrt die Betroffene einen solchen Angriff
ab und verletzt sich dabei, so sind auch diese Verletzungsfolgen in den Schutz
des OEG mit einbezogen. Nicht unter den Begriff des tätlichen Angriffs fällt
der rein psychisch wirkende Zwang. Wie oben beschrieben, wird im Bereich des
Menschenhandels oder bei häuslicher Gewalt häufig allein über psychische Gewalt
in Form von Drohungen auf die Betroffenen eingewirkt. Eine Drohung gegenüber
den Kindern oder Angehörigen im Herkunftsland, die Drohung mit Abschiebung und
Bloßstellung kann ausreichen, um Betroffene zur Ausübung von Sexarbeit zu
zwingen.
Das BSG
hat in der neueren Rechtsprechung unter Bezugnahme auf den Willen des
Gesetzgebers ausgeführt, dass ein tätlicher Angriff jedenfalls dann nicht mehr
zu bejahen sei, wenn sich die auf die Betroffene gerichtete Einwirkung ohne
Einsatz körperlicher Mittel – allein als intellektuell oder psychisch
vermittelte Beeinträchtigung darstellt und nicht unmittelbar auf die
körperliche Integrität abzielt. Vor diesem Hintergrund darf bezweifelt werden,
dass es zu einer Ausweitung der Definition des tätlichen Angriffs auf die oben
genannten Fälle kommen wird.
In
Fällen wie diesem ist es nicht aussichtsreichend, das Zwangsverhältnis als
tätlichen Angriff zu begreifen und deshalb Entschädigung zu beantragen.
Was ist Gewaltschutz?
Der Gewaltschutz ist anders als bei
Ermittlungen und Maßnahmen von Polizei und Staatsanwaltschaft ein Instrument
der Zivilgerichte, um Opfer von Misshandlung, Körperverletzung und Stalking
nachhaltig zu schützen. Mithilfe des Gewaltschutzes können sämtliche denkbare
Schutzanordnungen durch ein Gericht getroffen werden wie etwa Kontakt- und
Näherungsverbote oder sogar eine Wohnungszuweisung.
Der Gewaltschutz gilt für jeden, der
Opfer von Gewalt oder Gewalttäter geworden ist. Es muss keine besondere
Beziehung zwischen Täter und Opfer bestehen, d. h., der Gewaltschutz gilt für
jeden Menschen, egal ob verheiratet, in einer Beziehung oder nicht.
Derjenige, der den Gewaltschutz in
Anspruch nehmen will, muss Opfer einer Körperverletzung, Gesundheitsverletzung,
Freiheitsverletzung oder einer ähnlichen (gleichgestellten) Verletzung geworden
sein. Gleichgestellte Verletzungen sind Drohung, Eindringen in die Wohnung und
Belästigung.
Gewaltschutz gibt es nur auf Antrag
und nur bei Gericht. Zwar kann das Opfer von Gewalt die Polizei informieren,
die dann eine Strafanzeige und ggf. polizeiliche Maßnahmen wie ein kurzzeitiges
Kontaktverbot oder eine kurzzeitige Ingewahrsamnahme
ergreifen kann, von Dauer sind diese Maßnahmen aber nicht. Nur ein Gericht kann
Anordnungen treffen, die das Opfer von Gewalt auf Dauer vor dem Täter schützen.
Gerichte haben im Rahmen des
Gewaltschutzes einen sehr weiten Spielraum, wobei sie aber strikt an den Antrag
des Opfers gebunden sind (daher ist es ratsam einen Anwalt zu Rate zu ziehen).
Die rechtliche Bandbreite reicht von Betretungsverboten der Wohnung des Opfers
bis hin zur Möglichkeit, eine sog. Bannmeile zu beschließen, sodass der Täter
sich dem Opfer in einem bestimmten Umkreis um die Wohnung nicht nähern darf.
Darüber hinaus kann das Gericht ein Aufenthaltsverbot aussprechen sodass sich
der Täter an Orten die das Opfer regelmäßig aufsucht nicht aufhalten darf. Dies
kann die Arbeitsstelle aber auch der Kindergarten des Kindes des Opfers oder
aber auch das Stammlokal sein. Weiter gibt es die Möglichkeit des
Kontaktverbotes sodass der Täter keinerlei Kontakt mehr mit dem Opfer aufnehmen
darf, weder persönlich noch durch Fernkommunikationsmittel wie Internet,
Telefon und E-Mail. Das Gericht kann auch ein Verbot des Zusammentreffens
beschließen, sodass sich der Täter bei einem zufälligen Zusammentreffen aus
eigenem Antrieb sofort zu entfernen hat. Darüber hinaus kann das Gericht bei
einer gemeinsam genutzten Wohnung das alleinige Wohnrecht dem Opfer zusprechen,
sodass der Täter die Wohnung nicht mehr nutzen darf. Der Täter muss sich sofort
an die vom Gericht getroffenen Anordnungen halten.
In einem solchen gerichtlichen
Beschluss wird dem Täter zugleich angedroht, dass er im Fall des Verstoßes
gegen die oben genannten Maßnahmen ein Zwangsgeld bis zu 250.000 Euro zu zahlen
hat und für den Fall der Nichtzahlung des Zwangsgeldes auch in Haft genommen
werden kann.
Würde man die verletzten oder
bedrohten Personen auf ein übliches Gerichtsverfahren verweisen, in welchem
insbesondere eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, könnte kein
effektiver Rechtsschutz gewährt werden. Der Täter wäre in jedem Fall schneller.
Deshalb hat der Gesetzgeber dem Opfer die Möglichkeit des einstweiligen
Rechtsschutzes gewährt, sodass das Gericht durch einstweilige Anordnung eine
vorläufige Regelung zum Gewaltschutz treffen kann.
Die Voraussetzungen für den Erlass
einer solchen einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller zu begründen und
die Voraussetzungen für die Anordnung hat er glaubhaft zu machen. Die
Glaubhaftmachung bedeutet, dass der Antragsteller nicht den Beweis zu erbringen
hat, es genügt als geringerer Grad der Beweisführung der Nachweis der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Diesen kann der Antragsteller auf
verschiedene Weise erbringen. Die bekannteste ist die Abgabe einer
eidesstattlichen Versicherung. Die Glaubhaftmachung wird sehr unterstützt durch
die Vorlage von ärztlichen Attesten über Verletzungen, die Vorlage von
Abschriften von gegenüber der Polizei abgegebenen Anzeigen, Vorlage von
Zeugenaussagen Dritter, z. B. von Nachbarn oder aber auch vorangegangener
polizeilicher Maßnahmen und Einsätze, aber auch durch Stellung einer
entsprechenden Strafanzeige etc. Regelmäßig bestimmt das Gericht, dass eine
einstweilige Anordnung nur eine zeitlich begrenzte Wirkung hat. In der Praxis
beträgt der Zeitraum der Wirksamkeit im Regelfall sechs Monate.
Wenn ein Gericht eine
Gewaltschutzanordnung getroffen hat, muss diese dem Täter durch den
Gerichtsvollzieher zugestellt werden, wobei eine Vollstreckung auch schon vor
Zustellung möglich ist, wenn dies das Gericht so anordnet.
©Franziska Benthien
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Sozialrecht