Krankenkasse muss Einkaufsfuchs für Blinde bezahlen (LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 11.11.2009 Az. L4 KR 17/08)

Das selbständige Einkaufen gehört zu den Grundbedürfnissen eines Menschen. Damit Menschen mit einer Erblindung dieses Recht erhalten bleibt, muss die Krankasse die Kosten für einen Einkaufsfuchs, bei vorliegender ärztlicher Verordnung, übernehmen.

Ein Einkaufsfuchs ist ein Lesegerät, mit welchem der Barcode auf Verpackungen gelesen werden kann und das entsprechende Produkt per digitaler Sprachausgabe erkannt werden kann. Diese Geräte ermöglichen es blinden und stark sehbehinderten Menschen, sich selbstständig in Supermärkten zu Recht zu finden. Auch die häusliche Vorratskammer kann mittels des Einkaufsfuchses selbstständig von einem Blinden organisiert werden.

Die Krankenkassen führten verschiedenste Argumente an, um die Versorgung mit dem Produkterkennungsgerät abzulehnen. So beriefen sie sich darauf, dass der gewünschte Warenbereich im Supermarkt nicht ohne Assistenz erreicht werden könne, sodass ein eigenständiges Auffinden der Waren mit dem Einkaufsfuchs nicht möglich sei. Diesem Argument ist jedoch entgegenzuhalten, dass sehbehinderte und blinde Menschen in der Regel Supermärkte aufsuchen, die sich in der gewohnten Umgebung ihrer Wohnung befinden, sodass sie sich dort gut zurechtfinden. Das Problem fängt erst dann an, wenn man vor dem Regal oder der Truhe steht und nicht weiß, welchen Artikel man in der Hand hält, da viele Produkte anhand der Verpackung nicht zu unterscheiden sind. So haben Konservendosen oftmals die gleiche Form und Größe und auch die Geschmacksrichtungen beim Joghurt lassen sich nicht erkennen.

Als Begründung in der Entscheidung führten die Richter des LSG Niedersachsen-Bremen an, dass der Bereich der selbstständigen hauswirtschaftlichen Versorgung zu den Grundbedürfnissen gehört. Hierzu zählt auch das selbstständige Einkaufen. Daher ist ein Barcode-Lesegerät mit digitaler Sprachausgabe ein Hilfsmittel im Sinne der Gesetzlichen Krankenversicherung (§ 33 SGB V), da es mit diesem Gerät einem erblindeten Versicherten ermöglicht wird, selbstständig die hauswirtschaftliche Versorgung vorzunehmen und auch weitestgehend die Einkäufe zu erledigen.

Ein weiteres beliebtes Argument der Krankenkassen gegen die Versorgung mit dem Einkaufsfuchs ist das sog. Wirtschaftlichkeitsgebot. Gemeint ist, dass die Kosten in keiner Relation zum Nutzen des Gerätes stehen. Hierzu erklärt das LSG: „dass Hilfsmittel, die wie der Einkaufsfuchs nicht unmittelbar an der Behinderung ansetzen, sondern den durch die Krankheit verursachten Funktionsausfall anderweitig ausgleichen oder mildern, sollen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fallen, wenn sie die Wahrnehmung von Grundbedürfnissen ermöglichen. Diese Voraussetzung trifft auf den Einkaufsfuchs zu. Denn er ermöglicht es, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen bzw. das Orientieren im eigenen Haushalt selbstständig auszuführen. Dabei handelt es sich um ein allgemeines Grundbedürfnis."

In einem ähnlichen Fall hatte das SG Detmold mit Urteil vom 03.12.2008 ((Az. S 5 KR 207/07) ebenfalls entschieden, dass ein Einkaufsfuchs für einen blinden Versicherten seitens der gesetzlichen Krankenkasse zu übernehmen ist.

Rechtsanwältin Franziska Benthien